Suzuki GT 750 B, Bj. 1978

Der Motor

Nachdem der Motor dem Fahrwerk entnommen war  und ich den Zylinderkopf entfernt hatte, offenbarte sich der Verdacht. Der Motor stand unter Wasser. Erstaunlich ist, dass der Motor trotzdem noch - wenn auch sehr schlecht - lief.

Keinerlei Rußablagerungen in den Brennräumen, völlig feuchte Kolbenböden und überall Tropfen von blauem, mit Frostschutz versetztem Kühlwasser, gaben meiner Vermutung Recht, dass ein massives Kühlwasserdichtheitsproblem vorlag.

Der Zylinder ließ sich aufgrund der völlig aufgequollenen Stehbolzen nur mit der "Abhebeplatte" entfernen.

Als dann das Kurbelgehäuse vollständig geöffnet war und somit den Blick auf die Kurbelwelle freigab, eröffneten sich weitere und typische Schäden.

Die Kurbelwangen des rechten Zylinders waren stark angerostet und der Kurbelwellensimmerring rechts neben dem Kurbelwellenabtrieb hatte sich aus seiner Führung gelöst und war beschädigt. Ein typischer Montagefehler. Dies erklärte auch die starke Qualmentwicklung des Motors aus dem rechten Auspufftopf. Das Kühlwasser war rechts über eine undichte oder defekte Zylinderkopfdichtung in den Motor eingedrungen. Dies erklärte jedoch nicht, wie das Kühlwasser auch in die Kupplung und in das Getriebe gelangte. Denn der Kurbeltrieb ist vom Kupplungs- und Getriebegehäuse hermetisch abgetrennt.

Was ich dann fand dürfte sich als ein absolutes Novum herausstellen. Es scheint sich bei diesem Motorgehäuse um eines mit einem Gussfehler zu handeln, was ja eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Bei den Suzuki GT 750 Motoren sorgt eine sogenannte Bypassleitung für den Wassertransfer zwischen Zylinderkopf und Kurbelgehäuse. Da diese Bypassleitung durch beide Motorgehäusehälften läuft, wird sie an der Nahtstelle durch einen O-Ring abgedichtet, der in einer Vertiefung liegt. (siehe Bild oben)
Am unteren Motorgehäuse dieses GT 750 Motors fehlt jedoch die Vertiefung, die den abdichtenden O-Ring aufnimmt komplett. (siehe Bild rechts)

Dieser, mir völlig unbegreifliche Umstand, dass die komplette O-Ring-Nut fehlt, würde natürlich den Wassereintritt ins Getriebegehäuse erklären. Zwei plan aufeinanderliegende Flächen lassen sich einfach nur schwierig gegen unter Druck stehendem heißen Wasser abdichten. Nur wie kann solch ein Problem entstehen? Es muss sich um einen Fertigungsfehler handeln.

Bei all diesen sonderbaren Umständen kommt noch erschwerend hinzu, dass die Wasserpumpe völlig verschlissen und undicht ist...

...und das Kühlwasser über den Wasserüberlauf eigentlich nach außen befördert wird. 

Dies wurde jedoch über einen Pfropfen, der mit reichlich Dichtmasse eingeklebt war, verhindert und so lief dieses Wasser auch noch zusätzlich in den Getrieberaum. Pfusch in Reinkultur! Jedoch verkaufen sich halt tropfende Motorräder schlecht!

Die nicht mehr gut aussehende Kurbelwelle der GT 750 schickte ich zwischenzeitlich zu Bernd Braun nach Herten, der mit seiner Firma CrankUp ein Garant für perfekt instandgesetzte Zweitaktkurbelwellen ist.

Bernd erneuerte alle Kurbelwellensimmerringe, ein Kurbelwellenhauptlager und das Pleuel des linken Zylinders samt Pleuellager und einen blau angelaufenden Pleuellagerzapfen.

Zurück bekam ich eine Kurbelwelle in Neuzustand, die jetzt wieder problemlos ihre Arbeit in dem komplett neu aufgebauten GT 750 Motor verrichten wird.

Da Jobst seine GT genau wie meine goldene aufgebaut haben wollte, stand nun das komplette Gleitschleifen aller Motorgehäuseteile an. Also wurden diese erst mal gründlich im Teilewäscher gereinigt und entfettet und dann mittels glasperstrahlen auf das hochglanzverdichten vorbereitet.

Nachdem die beiden Motorgehäusehälften jeweils rund 30 Stunden in der Gleitschleifmaschine verweilten, kamen sie hochglanzverdichtet wieder zum Vorschein.

Von allen Seiten betrachtet, hatte das Motorgehäuse jetzt das Finish, welches ich mir vorstellte und nun kam der Feinschliff.

Die Dichtflächen wurden geschliffen und beide Gehäusehälften auf passgenauen Sitz angeglichen.

Die von der Feuchtigkeit beim Gleitschleifen leicht angerosteten Stahleinlagen der Kurbelwellenaufnahme wurden gereinigt und nun war das Kurbelgehäuse in perfektem Zustand.

Alle Gewinde wurden dann noch nachgeschnitten und die von uns selbstgefertigten Zylinderstehbolzen aus V5A gesetzt.

Nun gab es nur noch das Problem mit der fehlenden Dichtringnut in der unteren Motorgehäusehälfte zu beseitigen.

Mittels eines kleinen Fräßkopfes auf dem Dremel war dies kein Problem und nun hatte der abdichtende O-Ring seinen Platz auch in diesem Motorgehäuseunterteil gefunden.

Platz auch in diesem Motorgehäuseunterteil gefunden.

So muss meiner Meinung nach ein perfektes Suzuki GT 750 Motorgehäuse aussehen, auch wenn etliche von Überrestauration sprechen.

Der Zylinder wurde zwischenzeitlich auch hochglanz verdichtet, jedoch waren die Befestigungsgewinde für die Auspuffrosetten in desolatem Zustand und man hatte Stehbolzen eingeschraubt.

Ich schnitt diese Gewindegänge sauber nach und setzte M8 Hellicoil®-Einsätze ein, um den Auspuffkrümmern wieder den richtigen Halt zu geben.

Dann wurde die Wasserpumpe überholt. Nach komplettem Zerlegen wurde das Gehäuse gründlich gereinigt und das Lager samt Abdichtungen erneuert. So revidiert kann die Wasserpumpe das Kühlmittel wieder durch die Kanäle pumpen und für den thermischen Haushalt des Tripple sorgen.

Dann kam die Wasserpumpe wieder in den Pumpenschacht und dieser wurde mit dem...
...ebenfalls auf hochglanz polierten "Schneckendeckel" verschlossen.

Als nächstes wurde das Getriebe wieder eingebaut.

Die Schaltwalze und die Schaltklauen wurden gereinigt und die Schaltgassen poliert und dann in die untere Motorgehäusehälfte eingesetzt.
 

Die beiden Getriebewellen kamen in die Lagerung und wurden in die Schaltklauen eingesetzt. Danach überprüfte ich die tadellose Funktion des Getriebes.

Nach dem Einbau der Kickstarterwelle und der Wasserpumpenantriebswelle kam die komplett überholte Kurbelwelle wieder ins Kurbelgehäuse.

Jetzt, nachdem alles wieder in der unteren Motorgehäuse- hälfte seinen Platz gefunden hatte, Jobst GT750A 046konnte der Motor geschlossen werden. Jedoch mussten hierfür erst noch die 32 Motorgehäusebolzen gereinigt, geschliffen und neu verchromt werden.

Nun konnte das Motorgehäuse geschlossen werden.
Nach dem Auftragen einer dünnen Schicht Motorengehäuse- dichtmasse wurden die beiden Motorgehäusehälften zusammengesteckt und mit den 32 frisch verchromten Motorgehäusebolzen in der richtigen Reihenfolge und dem richtigen Drehmoment, entsprechend der Angaben von Suzuki, verschraubt.

Das gehäusenaht überlappende Ölleitblech wurde verschraubt und die komplett überholte Kupplung eingesetzt. Noch den Lichtmaschinenrotor auf dem Kurbelwellenstumpf anbringen und die rechte Motorseite war fast fertig.

Der E-Starter wurde komplett zerlegt, gereinigt und überholt. Die schon stark verschlissenen Anlasserkohlen wurden gegen neue ersetzt.

Jetzt konnte der E-Starter wieder seinen Platz in der Mulde der oberen Motorgehäusehälfte einnehmen und den GT Motor später mühelos anwerfen.
 

Auf die linke Kurbelwellenseite wurde der überarbeitete Anlasserfreilauf gesetzt und mit den Übertragungszahnrädern verbunden. Auch das Kunststoffwasserpumpenantriebs- zahnrad dieses GT 750 Motors wies schwere und tiefe Risse auf und wurde, so wie immer, gegen ein von uns angefertigtes hochfestes Aluminiumwasserpumpenantriebszahnrad ausgetauscht.


Nach dem Einbau der Zweitaktölleitungen (auch Ölspinne genannt), waren die Kolben an der Reihe.

Die Kolben, die ich vom original Hersteller der Suzuki Kolben direkt aus Japan beziehe, sind von erstklassiger Qualität und haben nur sehr geringe Maßabweichungen im 1/100 Bereich

Jedoch werden auch diese geringen Abweichungen beim Bohren der Kolbenlaufbahnen im Zylinder mit berücksichtigt und so haben alle drei Kolben ein identisches Kolbenlaufspiel.

Suzuki hielt sich mit dem Kolbenlaufspiel immer sehr bedeckt und ich weiß aus Erfahrung, dass viele Motoren mit +1/600 bis +1/700 gebohrt werden.

Ich persönlich bevorzuge ein Kolbenlaufspiel von +1/500, welches aber ein penibles Einfahren des Motors zwingend notwendig macht. Jedoch gibt die hohe Kompression und die Laufruhe auf lange Sicht dieser Vorgehensweise Recht. Auch mögen die Eigner dieser Motorräder den Umstand, dass sie die Motoren 1000 Kilometer einfahren müssen, denn ich höre immer wieder den Satz, dass man sich während der Einfahrphase wunderbar an das (jetzt wieder neue) Motorrad gewöhnen kann.

Als nächstes wurde dann der Zylinder samt Zylinderkopf gesetzt. Die ist eine etwas knifflige Arbeit, weil alle drei Kolben gleichzeitig eingeführt werden müssen.

Die Kolbenringe spanne ich mit breiten Kabelbindern und öle alles gut ein - dann flutscht das schon. (Bei diesem Foto handelt es sich übrigens um den Motor von Roland).

Und wieder ist aus einem defekten und grottenschlechten Motor ein wunderschönes Triebwerk entstanden, das, wenn es in seinem Fahrwerk eingebaut ist, ein echter "Hingucker" sein wird. Und wie immer fasziniert mich die Schönheit des Motorenbaus der siebziger Jahre.

Die rechte Seite des GT 750 Motors wurde dann komplett verschlossen.

Der Anlasserfreilauf wurde mit dem Zündungsdeckel verschlossen, nachdem in diesem der Antrieb für die Zündung eingebaut wurde. Jetzt kam zum Abschluss die elektronische, von Uwe Gottwald gefertigte, Accent Zündung in den montierten Zündungsdeckel.

Als nächstes folgten die Vergaser. Die Mikuni BS 40 Vergaserbatterie hatte ebenfalls ihre beste Zeit schon lange hinter sich.

Nach dem kompletten Zerlegen der Vergaserbatterie wurde diese erst einmal gründlich gereinigt und dann glasperlgestrahlt. Dann kamen die obligatorischen 30 Stunden in der Gleitschleifmaschine und nach dem Entfernen aller Schleifkugeln erstrahlten die Vergaser im neuen Glanz.

Und wieder war ein GT 750 Triebwerk fertig für den Einbau in das Fahrwerk.